Kleiner Sprachkurs ESPERANTO
Lektion 47

Es gibt in Esperanto neben einer umfangreichen originalen Literatur auch zahlreiche Übersetzungen aus den und in die verschiedensten Sprachen. Die Esperantoübersetzungen der Bibel, des Kommunistischen Manifestes, des Don Quichotte, der Stücke Shakespeares oder der Schatzinsel von R.L.Stevenson sprechen für sich. Die Poesie spielt in Esperanto eine große Rolle; so dürfte es z.B. kaum ein Gedicht von Heinrich Heine geben, das nicht ins Esperanto übersetzt wurde. Das berühmteste Heinegedicht und ein weniger bekanntes Gedicht des jungen B. Brecht werden jetzt vorgestellt.

Heinrich Heines Lorelei in E-o

H.Heine Lorelaj

Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,
dass ich so traurig bin;
ein Märchen aus alten Zeiten,
das kommt mir nicht aus dem Sinn.

Min kaptas malgaj' en la koro,
pro kio tia trist'?
Fabel' el antikva foro
ne lasas de mi kun persist'.

Die Luft ist kühl, und es dunkelt,
und ruhig fließt der Rhein;
der Gipfel des Berges funkelt
im Abendsonnenschein.

Aere fridetas, trankvilas,
malhelas jam la Rejn'.
La monto surpinte brilas
vespere en rava scen'.

Die schönste Jungfrau sitzet
dort oben wunderbar;
ihr goldnes Geschmeide blitzet,
sie kämmt ihr goldenes Haar.

Tre ĉarma feino sidas,
jen supre por ador';
la ora ornamo ridas;
ŝi kombas harojn el or'.

Sie kämmt es mit goldenem Kamme
und singt ein Lied dabei;
das hat eine wundersame,
gewaltige Melodei.

Ŝi kombas per ora kombilo
kaj kantas kun pasi';
mirigas min la elbrilo
kaj forto de l' melodi'.

Den Schiffer im kleinen Schiffe
ergreift es mit wildem Weh.
Er schaut nicht die Felsenriffe,
er schaut nur hinauf in die Höh.

Ŝipisto ŝipeton gvidas,
lin kaptas vea ekzalt'.
Li ja la rifojn ne vidas',
li vidas nur supren sen halt'.

Ich glaube, die Wellen verschlingen
am Ende Schiffer und Kahn;
und das hat mit ihrem Singen
die Lorelei getan.

Mi kredas, ke ondoj tiras
la ŝipon funden de l' Rejn';
kaj tio de l' kant' eliras
de Lorelaj-siren'.

tradukis Hans-Georg Kaiser

vortoj el la poemo:
konfuzo (Verwirrung)
tristo (Trübsinn, Tristesse)
persisto (Beharren)
pinto (Spitze)
feino (Fee)
adoro (Anbetung)
pasio (Leidenschaft)
gvidi (führen)
vea (wehleidig)
ekzalto (Schwärmerei, Exaltation)
ondo (Welle)
tiri (ziehen)
fundo (Grund)

Bertolt Brechts Legende vom toten Soldaten in E-o

Legendo pri la morta soldato

(1918)

aus "bertolt brecht gedichte" /Reclam jun. Leipzig

 

1

Und als der Krieg im vierten Lenz
Keinen Ausblick auf Frieden bot
Da zog der Soldat seine Konsequenz
Und starb den Heldentod.

Printempon kvaran de l' milit',
sen espero, ke venos fin',
decidis soldat' sen plia hezit'
heromortigi sin.

2

Der Krieg aber war nocht nicht gar
Drum tat es dem Kaiser leid,
Daß sein Soldat gestorben war:
Es schien ihm noch vor der Zeit.

La Ekscelenc' bedaŭris ĝin,
ne pretis jam la milit',
ke la soldat' mortigis sin.
Tro fruis la suicid'.

3

Der Sommer zog über die Gräber her
Und der Soldat schlief schon
Da kam eines Nachts eine militär-
ische ärztliche Kommision.

Somero ĵetiĝis sur tombojn nun,
jam dormis la soldat',
jen nokte almarŝis sub la lun'
kuracista komitat'.

4

Es zog die ärztliche Kommission
Zum Gottesacker hinaus
Und grub mit geweihten Spaten den
Gefallnen Soldaten aus.

La militista komision'
aliris ĝis lia tomb',
elfosis la viron kun brua son'
per ŝpatoj kaj pastra pomp'.

5

Der Doktor besah den Soldaten genau
Oder was von ihm noch da war
Und der Doktor fand, der Soldat war k.v.
Und er drückte sich vor der Gefahr.

Doktoro inspektis lin tuj kun skrupul',
kio restis plu, kun sever'.
La doktoro trovis, ke sanas la ul',
ke li fuĝis nur pro la danĝer'.

6

Und sie nahmen sogleich den Soldaten mit
Die Nacht war blau und schön.
Man konnte, wenn man keinen Helm aufhatte
Die Sterne der Heimat sehn.

Ili prenis lin do en la bela nokt',
en blua nokt' kun si.
Videblis, sed nur sen kask' surkape,
la steloj de la patri'.

7

Sie schütteten ihm einen feurigen Schnaps
In den verwesten Leib
Und hängten zwei Schwestern in seinen Arm
Und ein halb entblößtes Weib.

Fajrecan brandon ili verŝis en lin,
la korpo putris jam.
Du flegofraŭlinoj alkroĉis sin
kaj duonnuda dam'.

8

Und weil der Soldat nach Verwesung stinkt
Drum hinkt ein Pfaffe voran
Der über ihn ein Weihrauchfaß schwingt
Daß er nicht stinken kann.

Kaj ĉar de l' soldat' eliras fetor',
frontlamas pastro sur l' strat',
Vualas lin per incens' kun fervor'.
Ne stinku la soldat'.

9

Voran die Musik mit Tschindrara
Spielt einen flotten Marsch.
Und der Soldat, so wie er's gelernt
Schmeißt seine Beine vom Arsch.

Orkestra muzik', ladblova marŝ',
antaŭas lin kun bru',
kaj la soldat' laŭ sia eduk'
elpaŝas ĝis la genu'.

10

Und brüderlich den Arm um ihn
Zwei Sanitäter gehn
Sonst flög er noch in den Dreck ihnen hin
Und das darf nicht geschehn.

Brakumas kiel fratoj lin
sanitarista par',
por ke li ne ĵetu en koton sin,
ne decas tia far'.

11

Sie malten auf sein Leichenhemd
Die Farben Schwarz-Weiß-Rot
Und trugen's vor ihm her; man sah
Vor Farben nicht mehr den Kot.

Pro la koloroj de la flag'
sur lia mortĉemiz',
portata antaŭ li, la kot'
foriĝis kun sia griz'.

12

Ein Herr im Frack schritt auch voran
Mit einer gestärkten Brust
Der war sich als ein deutscher Mann
Seiner Pflicht genau bewußt.

Ĉe l' front' eĉ paŝas fraksinjor'
kun brust' øvelanta en lum'.
Li, pro la patriota kor',
scias ja pri devplenum'.

13

So zogen sie mit Tschindrara
Hinab in die dunkle Chaussee
Und der Soldat zog taumelnd mit
Wie im Sturm die Flocke Schnee.

Kun blovmuzik' do la taĉment'
malhelen marŝis sur l' strat',
kaj kiel flok' en neĝŝtormvent'
ŝanceliĝis la soldat'.

14

Die Katzen und die Hunde schrein
Die Ratzen im Feld pfeifen wüst:
Sie wollen nicht französisch sein
Weil das eine Schande ist.

La katoj, hundoj krias: Fi!
Kriĉfajfas la ratoj de l' front':
"Neniam estu francaj ni,
ĉar ĝi ja estus grava hont'!"

15

Und wenn sie durch die Dörfer ziehn
Waren alle Weiber da.
Die Bäume verneigten sich, Vollmond schien
Und alles schrie hurra.

Se ili marŝis tra vilaĝ',
virinoj venis ja.
La arboj kliniĝis sub plena lun'
ĉe krioj kaj hura.

16

Mi Tschindrara und Wiedersehn!
Und Weib und Hund und Pfaff!
Und mitten drin der tote Soldat
Wie ein besoffner Aff.

Kun Tŝindrara kaj ĝisrevid'!
Kun in' kaj hund' kaj Di'!
Ebriiĝinte la morta soldat'
similas al simi'.

17

Und wenn sie durch die Dörfer ziehn
Kommt's, daß ihn keiner sah
So viele waren herum um ihn
Mit Tschindra und Hurra.

Se ili marŝis tra vilaĝ',
li ne videblis plu.
Tro multaj saltis ĉe li kun plaĉ'
hurae en la bru'.

18

So viele tanzten und johlten um ihn
Daß ihn keiner sah.
Man konnte ihn einzig von oben noch sehn
Und da sind nur Sterne da.

Tro multaj dancis kaj kriis sen halt',
jam ne vidis lin.
Videbla li estis nur supre el alt'.
Jen montras nur steloj sin.

19

Die Sterne sind nicht immer da
Es kommt ein Morgenrot.
Doch der Soldat, so wie er's gelernt
Zieht in den Heldentod.

Ne ĉiam estos stelobril',
alvenos la aŭror'.
Sed la soldat', laŭ sia eduk',
remortos kun fervor'.

tradukis H.-G. Kaiser

vortolisto:

printempo (im Frühling)


milito (Krieg)
hezito (Zögern)
heroo (Held)
preti (fertig sein)
tombo (Grab)
kuracista (ärztlich)
sono (Klang)
skrupule (peinlich genau, übertrieben bedenklich)
severo (Strenge)
kasko (Helm)
stelo (Stern)
patrio (Vaterland)
verŝi (schütten)
putri (faulen)
kroĉiĝi (sich einhängen)
fetoro (Gestank)
incenso (Weihrauch)
barelo (Faß)
fervoro (Eifer)
lado (Blech)
bruo (Lärm)
eduko (Erziehung)
paŝi (schreiten)
genuo (Knie)
brakumi (umarmen)
koto (Dreck)
ĉemizo (Hemd)
grizo (Grau)
plenumo (Erfüllung)
taĉmento (Abteilung)
ŝanceliĝi (wanken)
kriĉi (kreischen)
honto (Scham)
vilaĝo (Dorf)
kliniĝi (sich verneigen, sich neigen)
ebrio (Trunkenheit)
simili (ähneln)
simio (Affe)
salti (springen)
plaĉo (Gefallen)
aŭroro (Morgenrot)
morti (sterben, tot sein)

Weitere Ausrufe und Redewendungen:

Hier nun noch ergänzend zu den Redewendungen und Ausrufen in der 42. Lektion einige weitere: Silentu! (Schweig! Sei still!) Krak! (Krach!, Krack!, Knacks!). pum! (plumps!), Hura! (Hurra!), Adiaŭ! (Adieu! Lebe wohl!), Fartu bone! (Lass' es dir gut gehen!), Ĝis revido! (Auf Wiedersehen!), Ĝis! (Tschüss!), Konsentite! (Einverstanden!), Atentu! (Achtung!) For! (Weg!), Dio mia! (Mein Gott!), Domaĝe! (Schade!), Bedaŭrinde! (Leider!), Terure! (Schrecklich!)

Nekredeble! (Unglaublich!)

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Kaj nun bonvolu traduki:

1) "Sprichst du schon fließend Esperanto?"
2) "Nein, natürlich nicht, ich spreche noch sehr langsam, aber ich verstehe schon viel."
3) "Der Lehrer kann nicht umhin, dich zu loben (laŭdi)."

La tradukoj el la 46-a leciono:

1) Li certe forveturis.
2) Ĉu vi scipovas Esperanton?
3) La luno (Luno) baldaŭ leviĝos.
4) Ili estis forlasontaj la domon, kiam ŝi venis. Oder: Ili ĵus volis forlasi la domon, kiam ŝi venis.
5) Laŭdire la boksisto estis mordita en la tria rondo.
6) Ĉie tie oni rajtas fumi!
7) Ne estas permesate fumi ĝin, sed ili tamen faras.
8) La vino trinkeblas (trinkindas).

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